Elke Eyckmanns
Diplom-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin für Verhaltenstherapie, Hypnose und systemische Familientherapie.
Die Liebe einer Frau ab 50 ist anders. Ein halbes Lebensjahrhundert lässt ihre Ansprüche wachsen, aber ihre Lust auf Sexualität geringer werden. So zumindest der weitverbreitete Glaube. 365Balance hat mit der renommierten Paartherapeutin Elke Eyckmanns über Lust und Last(er) in der Altersklasse Ü50 gesprochen. Die wenig überraschende Erkenntnis: Männer wissen viel zu wenig über diese Frauen.
365Balance: Während sich Frauen ab 40 neu entdecken – Psychologen beziehen das vor allem auf Sexualität – treten bei der Beziehungssuche ab 50plus andere Qualitäten in den Vordergrund: Ehrlichkeit und „gemeinsames Lachen“ werden zu entscheidenden Faktoren. Warum ist das so?
Sie haben Recht. Ü40-Frauen haben zumeist keine Anspannung mehr, dass sie noch schwanger werden. Zudem kennen sie ihre Körper und ihre Lust besser; sie wissen was sie wollen und was sie brauchen. Die Folge daraus ist ein befreites Körpergefühl und damit eine entspanntere Sexualität. Diese selbstbewusstere Haltung verlagert natürlich auch den Fokus, was vom Partner erwartet wird. Die Frauen suchen nicht mehr nach einem potenziellen Kindsvater oder einen – pardon – Versorger. Dieses Lebenskapitel ist mit 50 abgehakt. Ü50-Frauen können sich erlauben, Kriterien wie „Leichtigkeit”, „Unkompliziertheit”, „gemeinsame Wellenlänge” in den Vordergrund zu stellen. Und eben Ehrlichkeit, die die Basis jeder guten und leichten Beziehung ist. Ehrlichkeit und damit Vertrauen ist aber auch die Basis für innigen Sex. Damit schließt sich der Kreis: Das „neue“ Körpergefühl braucht nicht mehr unbedingt das schnelle Abenteuer, es braucht einen Partner, mit dem es ausgelebt werden kann.
365Balance: Frauen ab 50 gelten als besonders selbstbewusst. Gibt es dafür eine körperliche Herleitung?
Ja, die veränderte Hormonlage. In den Wechseljahren fällt der Östrogenspiegel deutlicher ab als der Testosteronspiegel, d.h. dass die Frauen im Verhältnis mehr „Männerhormon“ haben und damit auch mehr von dem, was man eher Männern zuordnet: Durchsetzungsvermögen. Bei Männern gleichen Alters gibt es auch eine Hormonverschiebung. Da fällt der Testosteronspiegel und im Verhältnis haben Männer damit mehr Östrogene. Sie werden dadurch „weicher“ und empathischer, verständnisvoller – zumindest einige (lacht) und Frauen wirken „härter“.
Schöne Erlebnisse, intime und ruhige Momente, eine stressfreie Beziehung
365Balance: Welche Vorteile bringt die Liebe ab 50 mit sich, die in jüngeren Jahren vielleicht nicht so stark vorhanden waren?
Ich habe es ja vorhin schon angedeutet. Im sozialen Gefüge nimmt der Mann noch heute die Rolle des Versorgers ein. Auch wenn es hier längst Verschiebungen gegeben hat, sind viele jüngere Frauen auf der Suche nach genau dieser Struktur. Sie wollen jemanden haben, der ihnen beim Aufbau des Lebens oder einer Familie hilft – oder ihnen zumindest den Rücken freihält, damit sie sich der Kindererziehung widmen können. Ab einem gewissen Alter hat man diese Pflicht hinter sich gelassen – und freut sich auf die Kür. Der Fokus wandert von der Familie und den Kindern wieder auf die Frau selber. Sie hat Zeit, sich um sich und ihre Bedürfnisse zu kümmern – um schöne Erlebnisse, intime und ruhige Momente, eine stressfreie Beziehung.
365Balance: Welche Bedeutung hat die emotionale Intimität in Beziehungen ab 50 und wie kann sie gepflegt werden?
In meiner Tätigkeit als Therapeutin werde ich häufig damit konfrontiert, dass Paare sich im Verlauf der Jahre immer weniger über Gefühle, Gedanken oder Erfahrungen austauschen. Die Beziehung wird oberflächlich, weil irgendwann das Leben dazwischengekommen ist. Die Partner sind im Alltag verfangen, jeder ist mit seiner Agenda beschäftigt. Damit aber Gefühle wie Nähe und Innigkeit entstehen können, braucht es Zeit. Und genau diese fehlt häufig, so dass keine emotionale Intimität entstehen kann. Das ist häufig bei Frauen und Männern bis 40 der Fall. In den späteren Lebensjahren ändert sich das vor allem bei den Frauen zeitgleich mit den sich verändernden Familienverhältnissen. Durch ein „mehr“ an Zeit entsteht der Raum, um wieder eigene Bedürfnisse wahrzunehmen. Dazu gehören häufig mehr Innigkeit, der Wunsch, sich „fallen zu lassen” und „loslassen”. Damit sind wir wieder bei der eingangs erwähnten „Ehrlichkeit”, die die Basis dafür ist. Wer emotionale Intimität pflegen will – und das sollte das Ziel sein – muss den Raum dafür haben und die Selbstsicherheit, zu seinen Gefühlen zu stehen und darüber sprechen.
Das Buch nicht über den Umschlag beurteilen
365Balance: Inwiefern wird die Lebenserfahrung einer Frau die Liebe in dieser Lebensphase beeinflussen?
Hier erkennen wir Psychologen eine deutliche Beeinflussung. Die Frau ab 50 weiß, was sie kann und was sie nicht kann. Wenn sie aus ihren Erfahrungen bzw. Fehlern gelernt hat und Partner vermeidet, die ihr Leben schwermachen, kann eine tiefere Liebe gepaart mit großer Lust entstehen. Wer mit 50 aber immer noch auf „Bad Boys” steht und diese aktiv sucht, der wird keine Leichtigkeit erfahren und vor allem keine Ruhe. „Don’t judge a book by its cover” heißt es im Englischen. Wir Frauen sollte den Mann ab einem gewissen Alter nicht mehr nach dem Aussehen beurteilen. Männer mit Lebenserfahrung müssen nicht zwangsläufig böse Jungs sein, um tolle sexuelle Erfahrungen zu garantieren.
365Balance: Stimmt es, dass Frauen ab 50 schneller zu einer Trennung neigen, wenn ihnen etwas nicht passt?
Ich würde meinen, dass die Aussage zutrifft. Frauen ab 50 sind gradliniger, weniger unsicher in ihren Entscheidungen, besser in ihrem Leben „orientiert“. Ihnen ist zudem bewusster, dass die Lebenszeit limitiert ist. Die Wechseljahre sind ja vor allem der Wechsel von der „Pflicht“ des Lebens in die „Kür“. Frauen ab 50 Sie fragen sich daher, warum sie eine Beziehung führen sollen, die ihnen nicht mehr gefällt oder die ihnen nicht guttut. Im Idealfall entfällt auch der Versorger-Grund. Viele Frauen in diesem Alter sind nicht mehr auf das Geld ihrer Männer angewiesen.
365Balance: Die Angst vor Einsamkeit im Alter könnte aber auch eine gegenteilige Reaktion erklären…
Klar. Mit den Wechseljahren kommt nicht Gottgegeben das mega Selbstwertgefühl um die Ecke, das sagt: Jetzt bist du groß und kannst alles alleine. Der „Wechsel“ verunsichert manche Frauen sehr und lässt Ängste entstehen. Sie fühlen sich alt, haben Sorge, keinen geeigneten Partner mehr zu finden. Da gilt dann: das bekannte Unglück ist besser als das unbekannte Glück. Aber auch das Maß an finanzieller oder emotionaler Abhängigkeit spielt da rein – Kinder, Schulden, familiäre Verpflichtungen. Aus Sorge vor Einsamkeit oder sozialem Abstieg bleibt Frau dann doch beim gewohnten Partner. Dennoch gilt: Die Verantwortlichkeiten einer Frau ab 50 nehmen ab. Und damit nimmt auch die Freiheit zu entscheiden.
Wo ein Wille ist, ist auch ein Gynäkologe
365Balance: Wie gehen Frauen ab 50 mit (gesundheitlichen) Veränderungen im eigenen Körper um und wie beeinflusst das die Liebe?
Die körperlichen Veränderungen sind ähnliche denen in der Pubertät – nur leider andersrum. Während da alles auf „aufblühen“, Hochfahren der Sexualität und Bindung ausgerichtet war, dreht der Körper unter anderem genau dieses Rad zurück. Meine persönliche Beobachtung ist aber: Wer sich mit 70 verliebt, der scheint den gleichen Spaß im Bett zu haben wie mit 50. Lust entsteht also im Kopf. Natürlich wird die Qualität des Sex mit dem Alter anders – es kann in beiden Altersklassen nicht mehr so wild zugehen wie mit 20 oder 30. Wenn der Körper an der einen oder anderen Stelle dann nicht mehr so mitspielt gilt: Wo Lust ist, ist auch ein Weg, Getreu dem Motto: Wo ein Wille ist, ist auch ein Gynäkologe.
365Balance: Welche gesellschaftlichen Erwartungen oder Stereotypen können das Liebesleben einer Frau ab 50 beeinflussen, und wie kann man ihnen entgegenwirken?
Wir erleben gerade eine neue Generation von Frauen ab 50. Ich gehöre auch dazu: Ich bin voll berufstätig inklusive Kinder und hatte eine Mutter, die eine vollwertige Hausfrau war. Wir sind also die erste Generation an Frauen, die keine „Orientierung“ in der vorhergehenden Generation findet. Unsere Mütter sahen im Alter von 50 anders aus, hatten einen anderen Habitus, andere Körperformen, Kleidungsstile – die Stereotypen kennt jeder. Ich stelle fest, dass die Gesellschaft mit den heutigen Ladys ab 50 verwirrt ist. Wer sich jugendlich kleidet, modern gibt, seinen Körper pflegt – und sich absolute Ebenbürtigkeit zum männlichen Geschlecht nimmt – der wird teils merkwürdig angeschaut oder sogar abgewertet. Es wird noch Jahre dauern, bis eine offen gezeigte, selbstbewusste Frau und deren Liebe in dieser Altersklasse als normal angesehen wird.
Männer in den Fünfzigern wollen jüngere Frauen
365Balance: Viele Frauen ab 50 haben keine Akzeptanz für Dating-Plattformen. Ein Fehler?
In meiner Praxis sind oftmals Single-Frauen um die 50. Und sie beklagen alle das gleiche Phänomen beim Online-Dating. Der Mann um die 50 sucht fast ausnahmslos eine Partnerin, die zehn Jahre jünger ist als er selbst. Diese Frauen sind also für gleichaltrige Männer sexuell unsichtbar. Hingegen werden sie von Männern um die 60 hofiert. Das entspricht hingegen nicht ihrer Selbstwahrnehmung und ihrem Selbstverständnis von noch „jung“ sein. Gepaart mit den anderen Gesetzten der digitalen Welt erleiden sie vor allem in Sachen Ehrlichkeit hier schnell mal Schiffbruch.
365Balance: Welche Ratschläge haben Sie für Frauen, die wieder einen Mann finden wollen?
Auch wenn der Begriff etwas altbacken klingt: Ich würde Frauen immer raten, zu Single-Stammtischen zu gehen. Treffen in Person sind so viel zielführender als auf wenige Kanäle beschränkte digitale Kommunikation. Das gleich gilt auch für die täglichen Routinen. Viele Menschen pflegen sie. Wenn man jeden Tag zur gleichen Zeit beim Bäcker ist, im Restaurant oder auch mal in einer Bar – dann stellt sich viel leichter der Kontakt her. Irgendwann beginnt man die Menschen zu grüßen und darüber kommt man ins Gespräch. So lernt man sich kennen. Aber das dauert halt – selten trifft man den Prinzen beim ersten Mal.