Bislang waren nur die jüngeren Altersklassen betroffen. Nun aber erreichen fiese (Online)Dating-Trends auch die Generation 40plus. „Ghosting” – also das kommentarlose Blockieren und gänzliche Verschwinden aus dem Leben einer Person – ist den meisten wohl bekannt. Eine neue Eskalationsstufe ist jetzt das sogenannte Orbiting. Was reichlich harmlos klingt, ist in Wahrheit eine Social-Media-Tyrannei. Denn Betroffene können sich kaum wehren.
Wenn Empathie und Mitgefühl schwinden
Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt. Wir von 365balance müssen diesem (angeblichen) Napoleon-Zitat nun noch ein weiteres Thema hinzufügen: Dating. Nicht nur in der digitalen Welt verschwinden Werte wie Empathie und Mitgefühl immer mehr. Jeder ist sich selbst der Nächste. Beziehungen enden immer häufiger kommentarlos; Bekanntschaften bekommen gar keine Entwicklungschance. Statt sich näher miteinander zu befassen, wird ein Schlussstrich gezogen. Aus den Augen, aus dem Sinn.
Orbiting: Wie Ghosting… nur gemeiner
An dieser Stelle beginnt oft das „Ghosting”. Anfänglich sehr schmerzhaft, wandelt sich das Leid bei Betroffenen irgendwann in Empörung. Ghosting ist nun mal unreif und feige. Wenn schließlich der Verlust überwunden ist, sind die meisten Menschen wieder offen für eine neue Liebe. Oder aber… das Phänomen des Orbitings trifft sie.
Zwei Planeten, die nie in Kontakt kommen
Um erstmal den Begriff zu erklären: Es war die Lifestyle-Journalistin Anna Rose Iovine, die dem neuen Trend den Namen gegeben hat. Die New Yorkerin beschreibt Orbiting als „nah genug beieinander, um sich zu sehen, aber weit genug voneinander entfernt, um nie miteinander reden zu müssen“. Eine Referenz ans Weltall. Zwei Planeten, die sich umkreisen, werden nie in Kontakt kommen. Orbiting bezieht sich also auf die Zeit nach der Trennung: Plötzlich taucht er oder sie wieder im Social-Media-Leben des Menschen auf, von der er/sie sich (ohne Ankündigung) gelöst hat. Das können Likes und Emojis bei Facebook-Posts sein; aber das sichtbare Verfolgen von Stories bei Instagram oder X (ehemals Twitter); manchmal sind es auch Mini-Kommentare oder ein kurzer Gruß in der Kommentarleiste. Was das bedeutet, erläutert die Paartherapeutin Alexandra Hartmann: „Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel: anteasen und dann doch wieder fallenlassen.” Betroffene machen sich so immer wieder Hoffnungen, können also niemals mit ihren Gefühlen abschließen.
Orbiting – neue Form des online stalkings
Zehn Jahre zuvor wäre „Orbiting” vermutlich anders bezeichnet worden. Denn eigentlich ist es eine Form des „online stalkings”. Den Umkreisten wird sichtbar vor Augen geführt, dass sie einen Verfolger auf ihren Profilen haben; doch die Gründe dafür bleiben im Unklaren. In einem BBC-Interview hat die Dating-Expertin Persia Lawson einen Erklärungsversuch gemacht. Sie sagt, dass Orbiter „mit einem Fuß in der Tür stehen und mit dem anderen draußen. So können sie signalisieren, dass sie noch da sind, ohne eine Beziehung eingehen zu müssen. Gleichzeitig halten sie die Kommunikationskanäle einen Spalt offen, falls sie mal wieder Lust haben, das Ganze anzuheizen.” Ganz schön narzisstisch, dieses Verhalten.
Charakteristischen Verhaltensweisen
Psychologen unterscheiden beim Orbiting zwischen mehreren charakteristischen Verhaltensweisen:
1. Aktives Beobachten: Die Person, die orbitet, verfolgt die Aktivitäten der anderen Person auf Plattformen wie sozialen Medien genau. Sie sieht sich Fotos, Beiträge und Stories an, ohne jedoch selbst aktiv zu interagieren.
2. Fehlende direkte Kommunikation: Anders als beim „Ghosting” bricht der „Orbiter” nicht vollständig den Kontakt ab. Sie reagiert jedoch nicht auf Nachrichten oder nimmt nur sporadisch und unpersönlich Kontakt auf.