Mein Geständnis eines Seitensprungs – und warum mein Mann bei mir blieb

von | 18. Sep 2023

Es ist wirklich nicht leicht, über die eigenen Fehler zu schreiben. Dennoch fühlt sich dieses (öffentliche) Geständnis richtig an: Ich bin fremdgegangen. Es geschah nach einer Feier im vergangenen März. Zwei „Zustände” begleiten mich seitdem: Emotionale Schmerzen – weil ich den Mann, den ich so sehr liebe, hintergangen habe. Aber da ist auch die Erinnerung an Lust. Ich kann den Kitzel dieser Nacht, der Rausch des Verbotenen, schwer vergessen. Warum ich das alles so offen beschreibe? Diese Widersprüchlichkeit der Gefühle, dieses Chaos im Kopf, beschäftigt nicht nur mich. Laut einer Elitepartner-Studie ist jede dritte Frau zwischen 40 und 59 mindestens einmal untreu.

Die Frage nach dem „Warum”

Für alle, die eher sozio-voyeuristisch veranlagt sind… es geht mir hier nicht darum, mein Beziehungsleben in der Öffentlichkeit auszubreiten. Mein Mann weiß mittlerweile von dem Fehltritt – wir haben auch besprochen, dass es okay ist, wenn ich an dieser Stelle darüber schreibe. Also: Kein Drama. Außer dem Drama in meinem Kopf! Denn gleich nach der Nacht – die nur wenig länger als zwei Stunden andauerte – kam ich mir schäbig vor. Ich verstand mich selbst nicht mehr. „Ein Seitensprung passiert”, so die Psychologin Pia Linden, „wenn es Distanz oder Meinungsverschiedenheiten in der Beziehung gibt.” Dieses Zitat habe ich bei einer Recherche gefunden – doch die genannten Gründe treffen nicht auf mich zu.

Ich bin glücklich und habe ein tolles Sexleben

Weitere Auslöser sollen das grundsätzliche Fehlen von Glück in der Beziehung sein (52 Prozent – laut Elitepartner-Studie); 29 Prozent haben sich neu verliebt und 25 Prozent fühlen sich schon länger nicht mehr begehrt von ihrem Partner. Das hat mir zu denken gegeben. Ist es wirklich so leicht, die Begründung für meine Untreue in so wenige Worte bzw. Kategorien zu fassen. Die Antwort lautet: Nein. Ich bin glücklich in meiner Beziehung und würde immer sagen: Auch nach acht Beziehungsjahren habe ich noch ein tolles Sexleben. Mein Mann erregt mich – emotional und körperlich. Mir fehlt nichts – und dennoch genoss ich die beiden Stunden voller Erregung und Lust sehr.

Mein Geständnis war nicht geplant

Vielleicht komme ich erstmal zu dem Punkt, an dem ich meinem Mann das Geständnis gemacht habe. Drei Monate nach dem Seitensprung. Wir hatten uns über Freunde unterhalten, bei denen es schlecht in der Beziehung läuft. Dauernd Streit, absolute Unzufriedenheit, keine Gelüste mehr. Und ja… Untreue als logische Konsequenz. Irgendwann nahm unser Gespräch eine Wende und wir redeten darüber, was passieren würde, wenn einer von uns mit einem anderen Mann bzw. mit einer anderen Frau im Bett landen würde. Er stellte klar, dass ein Ausrutscher kein Trennungsgrund sein müsse. Ein bisschen schien es so, als hätte er geahnt, wohin unsere Plauderei führen könnte…

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Ein großer Schock für meinen Mann

Mein Geständnis traf ihn aber doch wie ein Schock. Nein, er hatte nicht damit gerechnet. Ich weiß gar nicht mehr so genau, wie ich es ihm gesagt habe – nur an seinen Gesichtsausdruck kann ich mich gut erinnern: Erst wollte er lachen, weil er es für einen schrägen Witz hielt. Dann herrschte nur noch Unglaube. Die anschließende Aussprache gehört hier nicht im Detail hin. Außer seine Frage, die mich auch bis heute beschäftigt: Warum? Was hat zu meinen „Fehltritt” (er war sehr höflich in seiner Wortwahl) geführt. Kontrollverlust nach zu viel Alkohol? Oder war es ein Fall von „Gelegenheit macht Diebe”. Er fragte mich deutlich, ob ich schon länger einen anderen Mann „haben” wollte. Und natürlich auch, ob es das erste Mal war. Irgendwann kamen wir an den Punkt, an dem er die Schuld bei sich suchte. Zu lange Arbeitszeiten, zu wenig gemeinsame Freizeit? Oder schlicht Langeweile im Bett. Also bei mir – nicht bei ihm.

Eine Beziehung an der Belastungsgrenze

Es war eine tränenreiche Nacht, die uns in der Folge an die Belastungsgrenze unserer Beziehung brachte. Vor allem, weil ich mich nicht erklären konnte – also wirklich nicht KONNTE. Weil ich es selbst nicht begriff. Die Paartherapeutin Laura Duranti erklärt die destruktive Kraft der Untreue so: „Sie zerstört das eigene Selbstverständnis und das Vertrauen – und damit die Basis einer Beziehung.” Natürlich gäbe es immer noch große Unterschiede beim Seitensprung. War es ein „Ausrutscher” – eine Nacht ohne Fortsetzung. War es eine Affäre – etwas für kurze Zeit. Oder ist/war es eine Beziehung neben der Beziehung. Die beiden letztgenannten Formen führen laut Studien fast immer zu einer Trennung. Hier wird kein Fehltritt mehr vermutet, sondern einfach nur skrupelloser Betrug.

Aufarbeitung ist ein schmerzhafter Prozess

Ich liebe meinen Mann – und ich bin froh, dass er mir nie „Betrug” vorgeworfen hat. Sondern eine offene Aufarbeitung verlangte. Wir haben uns mit einem Paartherapeuten getroffen; es waren zehn Sitzungen, die uns beiden viel abverlangt haben. Es gab Tränen, aber keine lauten Worte. Wir hörten dort, dass Frauen tendenziell aus emotionalen Gründen betrügen und Männer, weil sie kurzfristig körperlichen Impulsen nachgeben. Das klang sehr klischeehaft – sei aber durch Studien belegt. Irgendwann trat die Frage in den Hintergrund, warum ich mit einem anderen Mann geschlafen habe. Wir sprachen mehr über die möglichen Konsequenzen: „Nichts im Leben ist wirklich sicher, aber sie haben nun das Gefühl gespürt, wie schnell eine liebevolle Beziehung enden könnte.” Das war ein Satz, der lange in mir nachhallte. Am Ende gelte das gleiche Prinzip wie beim Kind, das gelernt habe, die Hand nicht mehr auf die heiße Herdplatte zu legen. Besser beschrieben wäre es wohl mit Spiel mit dem Feuer. Aber mein Mann und ich haben es verstanden.

Die Erneuerung der Beziehung

Und wie weiter? Wie führt man eine Beziehung nach einem Seitensprung? „Nach Untreue macht es wenig Sinn, in die ,alte‘ Beziehung zurück zu wollen“, äußerte die Therapeutin in einer der späteren Sitzungen. Grundlage dafür seien zwei Voraussetzungen: Sie verlangte, dass ich die Verantwortung für den Seitensprung übernehme und mich aufrichtig und innig entschuldige. Und an meinem Mann gerichtet: Er solle sich nicht als Opfer sehen und bereit sein, wirklich zu verzeihen. Dass das nicht von heute auf morgen möglich sei, läge in der Natur der Dinge: „Vertrauen muss wachsen — erst recht dann, wenn es verletzt wurde.”

Menschen sind nicht eindimensional

Ich habe diesen Text vorab einer Freundin zum Lesen gegeben. Ich wollte ihre Meinung hören. Nicht so sehr, ob sie mein Handeln für richtig oder falsch hält (um es klarzustellen: die Fragestellung bezog sich aufs Verfassen des Textes, nicht auf den Seitensprung), sondern ob Leserinnen darin überhaupt einen Mehrwert finden. Ihre Antwort hat schlussendlich zur Veröffentlichung geführt: „Endlich schreibt mal jemand die Wahrheit über das Chaos im Kopf. Menschen – vor allem Frauen – sind nicht so eindimensional, wie sie in den Medien oft dargestellt werden.”

Maike Dorn

Maike Dorn

Redakteurin für Nachhaltigkeit, Psychologie und Medienthemen maike@365balance.de