„Bomben in der Ukraine“, „Corona-Zahlen steigen wieder“, „Klimakatastrophe – es gibt kein Zurück mehr“ – Tag für Tag sehen, hören oder lesen wir Schreckens-News aus aller Welt. Daraus ist ein neues Phänomen entstanden, das als „Doomscrolling” bezeichnet wird. Der Begriff beschreibt das endlose Scrollen durch negative Nachrichten. Doch was als häufiges Konfrontiert-werden oder vielleicht auch neugieriges Stöbern in den Abgründen des Internets beginnt, entwickelt sich oft zu einem gefährlichen Muster. Psychologen warnen vor ernsthaften Auswirkungen auf die mentale Gesundheit oder das tägliche Leben.
Wenn Ängste und Depressionen entstehen
Um die Ausmaße dieses neuen „Trends” zu erkennen, reicht eine kurze Recherche im Internet. Dort findet man schnell die Studie des Pew Research Centers (Washington, D.C.): 70% der befragten Internetnutzer geben darin zu, dass sie regelmäßig in den Sog der bad news geraten; 42% verbringen sogar mehr als eine Stunde pro Tag damit, durch negative Berichte zu scrollen. Die Folgen zeigt unter anderem die Untersuchung der American Psychological Association (APA): 65% der Menschen, die regelmäßig Doomscrolling betreiben, leiden unter gesteigerten Ängsten und Depressionen. Die Auswirkungen reichen bis in den Schlaf. Eine Umfrage des National Sleep Foundation ergab, dass 78% der Personen, die abends Nachrichten konsumieren, Schwierigkeiten beim Einschlafen haben. 62% berichten von unruhigem Schlaf und häufigem Aufwachen. Die genauen Zusammenhänge müssen aber noch erforscht werden – denn: Doomscrolling ist ein relativ junges Phänomen.
Die Folgen einer Steinzeitlogik
Nachweisbar ist der Begriff erstmals in einem Tweed der Finanzjournalistin Karen Ho im Oktober 2018. „Doom heißt so etwas wie „nahender Untergang” und Scrolling beschreibt die Wischbewegung, die wir machen, um unser Smartphone zu bedienen”, erklärt die Technikethikerin Paula Helm von der Universität Tübingen. Dabei ist Karen Ko übrigens nur die Namensgebern für eine Beobachtung, die Medienpsychologen schon deutlich früher gemacht haben. Cyberpsychologin Catarina Katzer erläutert: „Es ist unser Instinkt, nach negativen Nachrichten zu suchen.” Nur wer drohende Gefahren erkennt, kann Schutzmechanismen entwickeln. Steinzeitlogik nennt sich das.
Ein Teufelskreis für Schwarzseher
Gönnen wir uns zu wenig bad-news-Pausen, fällt es irgendwann schwer, positive Gedanken zu fassen und auf Gutes zu fokussieren. Ein Teufelskreislauf. Wirtschaftspsychologin Prof. Nora Walter (FOM Hochschule für Ökonomie und Management) betrachtet die Abstinenz von Doomscrolling als schwierig, weil es immer direkt den nächsten Artikel oder einen weiterführenden Link gibt. Daher empfiehlt sie gezielte Strategien, um den Konsum zu beschränken: „Man begrenzt sich zeitlich und nimmt sich zum Beispiel eine halbe Stunde zum Lesen von Newsseiten. Sobald der Wecker klingelt, hört man auf.“
Einfach mal „Gleefreshing” betreiben
Noch besser: Gleefreshing (Englisch für: „Entzücken neu laden“). Dabei werden gezielt nur positive Nachrichten konsumiert. Oder: Digital Detox. Einfach mal das Handy oder den Rechner für ein Wochenende gar nicht anschalten. Wichtig ist übrigens auch, dem Onlinekonsum Offline-Aktivitäten entgegenzusetzen. Freunde treffen, Sport machen, mit den Kindern etwas unternehmen. Laut einer Studie erleben 82% der Menschen, die gezielte Maßnahmen gegen das Doomscrolling ergreifen, eine deutliche Verbesserung ihrer mentalen Gesundheit.